COME TO DADDY

DIE FAMILIE KANN MAN SICH NICHT AUSSUCHEN.

Im Grunde möchte ich meine Filmbesprechung zu COME TO DADDY nicht auf diese Weise beginnen, aber ich tue es trotzdem, da mir das Thema etwas unter den Nägeln brennt – und dafür möchte ich mich vorab schon einmal herzlichst entschuldigen.

Was ich immer sehr schade finde, ist, wenn Schauspieler:innen, die aufgrund einer bestimmte Rolle Bekanntheit erlangt haben, auch im Nachhinein, selbst Jahre später, immer wieder mit dieser Rolle identifiziert werden. Ganz so, als würden sie es nie so richtig schaffen, sich gänzlich von dieser Paraderolle lösen zu können. Und so steht etwa ein Elijah Wood in einer Reihe mit Kolleg:innen wie Daniel Radcliffe und Emma Watson oder Robert Pattinson und Kristen Stewart. Denn ganz gleich, wie sehr sie auch versuchen, sich von ihren stereotypen Images freizuspielen, sie werden doch immer wieder zwangsweise damit in Verbindung gebracht.

Sei es aufgrund der Tatsache, dass die Karriere seit dem Ende des großen Franchises nicht weiter verfolgt wurde und es dann irgendwann heißt: „Hey, ist das nicht der:die aus Filmreihe XY?“. Oder sei es, weil der:die Schauspieler:in aus purer Ignoranz immer wieder mit der Rolle aus Filmreihe XY in Verbinung gebracht und dabei sogar ausschließlich beim Figurennamen genannt wird. Oder sei es, weil aus einer besserwisserischen Arroganz heraus bei jedem neuen Film angesprochen werden muss, dass sich der:die Schauspieler:in jetzt aber wirklich, definitiv und zu 100% von dieser einen Rolle freigespielt hat.

Und auch wenn ich verstehe, dass es durchaus hilfreich sein kann, eine Verbindung zu der Rolle aus Filmreihe XY herzustellen, etwa um den:die dahinter stehende:n Schauspieler:in besser zuordnen zu können, so finde ich es auf der anderen Seite einfach sehr schade, da es die jeweilige Person samt ihres Könnens und der schauspielerischen Bandbreite immer wieder auf dieses eine Minimum reduziert. Und so befürchte ich auch, dass ein Elijah Wood für einige auf ewig einfach nur Frodo Beutlin aus der DER HERR DER RINGE-Trilogie bleiben wird oder sich zumindest den Verweis auf diese Rolle gefallen lassen muss, ganz gleich wie viele Jahre, wie viele Filme und wie viele gute Performances dazwischen liegen.

Damit möchte ich an dieser Stelle nun aber meine Ausführungen beenden und noch einmal höflichst um Entschuldigung bitten!

Bildquelle: COME TO DADDY Norval (Elijah Wood) / ©splendid film gmbh

So, let‘s come to COME TO DADDY.

Starten wir endlich mit der eigentlichen Filmkritik und beginnen dabei ganz routiniert mit einer kurzen Inhaltsangabe:

Nachdem Norval (Elijah Wood) quasi ohne Vater aufgewachsen ist, hat er von diesem nun einen Brief erhalten. In dem Brief steht, dass sich sein Vater freuen würde, seinen Sohn kennenzulernen und ob Norval ihn nicht gerne einmal besuchen würde. Beigefügt ist eine Karte samt Wegbeschreibung, ähnlich einer Schatzkarte. Und was Norval nach seiner langen Reise bei dem abgelegenen Haus seines Vaters vorfindet, scheint zunächst das pure Idyll zu sein.

Doch schnell beschleicht ihn ein eigenartiges Gefühl. Sein Vater scheint ganz und gar nicht Norvalls verblassten Erinnerungen und damit auch nicht seinen Vorstellungen zu entsprechen. Der Mann ist kalt, ein Alkoholiker und zuweilen unberechenbar aggressiv. Und so stellt sich Norval berechtigterweise die Frage: Warum sollte ihn sein Vater darum gebeten haben ihn zu besuchen, obwohl dieser ihn augenscheintlich gar nicht bei sich haben möchte?

Mehr soll an dieser Stelle nicht über die Handlung des Films verraten werden. Der Film hält so einige überraschende Wendungen parat und es wäre am spannendsten, wenn ihr mit Norval gemeinsam den mysteriösen Vorkommnissen auf den Grund gehen würdet, ohne dass ich euch die Überraschungen durch etwaige SPOILER verderbe.

Bildquelle: COME TO DADDY Norval (Elijah Wood) & Gordon (Stephen McHattie) / ©splendid film gmbh

Spannend, schrullig und brutal.

In jedem Falle erzählt Regisseur Ant Timpson in seinem Langfilm-Debüt eine sehr außergewöhnliche Vater-Sohn-Geschichte. Die Tonalität pendelt relativ ausgeglichen zwischen düsterem Humor, Beklemmung und packendem Horror hin und her, wobei sich der Film zugleich jeglicher Genrezuordnung entziehen zu scheint. Das Gezeigte hat stets eine angenehm bizarre Note, d.h. es wird nie zu schräg, so dass der Film nicht vor den Kopf stößt mitreißend bleibt. Allerdings bietet COME TO DADDY nach einem nervenaufreibenden Moment auch die Gelegenheit, von dem Geschehen kurz einmal Abstand nehmen und durchatmen zu können.

Mit Norval gemeinsam betreten wir den Kaninchenbau und folgen ihr immer tiefer dort hinein, um endlich Licht ins Dunkel zu bringen. Dankenswerterweise ist Norval eine sehr zugängliche Identifikationsfigur, mit der man bereitwillig mitgeht, mitfühlt und mitfiebert. Das liegt nicht zuletzt an Elijah Woods Darbietung, der seine sensible und einfühlsame Figur mit sehr viel Sensibilität und Feingefühl spielt. Dem gegenüber steht Stephen McHattie, welcher die unberechenbare Vaterfigur verkörpert, als wäre sie ihm auf den Leib geschrieben worden. Seine Anwesenheit löst stets ein Unbehagen aus und man wartet jedes Mal gespannt darauf, wann die Situation wohl eskalieren wird.

Ebenfalls positiv fallen die Kameraarbeit und die Montage auf. Anders als bei anderen modernen Horror-Thrillern ist hier kein Schnittgewitter zu erwarten. Stattdessen wird den Szenen genügend Zeit gegeben, um sich zu entfalten. Somit kommt auch die unheimliche Atmosphäre viel besser zur Geltung. Die Bilder zeugen dabei von einer mitunter malerischen Schönheit und ergeben im Zusammenspiel mit der Montage und dem Soundtrack eine unheilvolle Poesie.

Für ein Spielfilm-Debüt ist COME TO DADDY äußerst dicht inszeniert. Einziger Wermutstropfen ist, dass die zugrundeliegende Prämisse ihr Versprechen nicht ganz einzulösen vermag und der Film die aufgebauten Erwartungen somit nicht vollends erfüllt. Aber nichtsdestotrotz bleibt der Film bis zum Ende hin spannend und für Fans des besonderen, etwas anderen Horrorfilms, die zugleich aber auch drastischere Gewalteinlagen zu ertragen, kann eine definitive Sehempfehlung ausgesprochen werden.

Unheimlich gutes Erstlingswerk.

OT: COME TO DADDY
VÖ: bereits erhältlich
Land & Jahr: CAN, IRL, NZL, USA, 2019
Regie: Ant Timpson
Darsteller:innen: Elijah Wood, Stephen McHattie u.a.
Vertrieb: splendid film GmbH
Laufzeit: ca. 95 min
Freigabe: FSK 18



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