WEREWOLF BY NIGHT


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BEI NACHT, WENN DIE BESTIE ERWACHT

Der Horror hält Einzug ins Marvel Cinematic Universe (MCU). Bereits mit dem zweiten Doctor Strange-Film, DOCTOR STRANGE IN THE MULTIVERSE OF MADNESS (2022), nahm diese Entwicklung ihren Anfang. So wurde mit Sam Raimi ein Mann für den Regieposten verpflichtet, der sich nicht nur mit der SPIDER-MAN-Trilogie (2002-2007) einen Namen machen konnte, sondern der im Horror-Segment mit dem EVIL DEAD-Franchise (seit 1981) ein eigenes, ebenfalls sehr beliebtes Film- und Serien-Universum erschaffen hat. Und eben jener Regisseur sollte nun dafür sorgen, dass DOCTOR STRANGE IN THE MULTIVERSE OF MADNESS der bis dato „gruseligste“ Film im MCU werden würde – natürlich alles im Rahmen der MCU-Spielregeln und damit einhergehend unter der Berücksichtigung gewisser Grundbedingungen, wie etwa einer jugendfreundlichen Inszenierung.

Das Doctor Strange-Sequel wurde allerdings recht wohlwollend aufgenommen und hat weitestgehend positives Feedback erhalten. Nichtsdestotrotz gab es aber auch kritische Stimmen, die bemängelten, dass die vorab versprochenen Horrorelemente sowie der im Titel angekündigte „Madness“-Faktor zu kurz gekommen seien.

Nun wurde mit WEREWOLF BY NIGHT in Sachen „Horror“ noch einmal nachgelegt. Das Besondere hierbei: Der Film sollte nicht mehr einfach nur vereinzelte Horrorelemente aufgreifen, die schlussendlich wieder im gesamten Spektakel unterzugehen drohen. Stattdessen wurde WEREWOLF BY NIGHT von Beginn an als Hommage an den klassischen Monsterfilm konzipiert. Folgende Frage stellt sich jedoch: Ein Horrorfilm im MCU, kann das überhaupt funktionieren?

Bild: WEREWOLF BY NIGHT Elsa Bloodstone (Laura Donnelly) / Photo: Marvel Studios, © 2022 MARVEL

HUNTERS WILL BE HUNTED

Nach dem Tod des Monsterjägers und Patriarchen Ulysses Bloodstone finden sich eine Handvoll anderer Monsterjäger:innen im Anwesen des Verstorbenen ein. Unter ihnen ist Jack Russell (Gael García Bernal), der auf den ersten Blick zwar nicht wie ein gefährlicher Monsterjäger wirkt, dieser Tätigkeit jedoch mit einigem Erfolg nachzugehen scheint. Daneben tritt außerdem noch Elsa Bloodstone (Laura Donnelly) in Erscheinung, bei der es sich um die entfremdete Tochter von Ulysses Bloodstone handelt.

Der Grund für die Zusammenkunft ist jedoch nicht etwa die Trauer um den Verlust und das damit verbundene Bedürfnis des gemeinsamen Gedenkens des Toten. Viel eher sind die Beteiligten an einem Vermächtnis der besonderen Art interessiert. Sie alle wollen den äußerst mächtigen „Blutstein“ haben.

Um herauszufinden, wer des Blutsteins würdig ist, müssen die Monsterjäger:innen in einem Wettstreit – einer Monsterjagd – gegeneinander antreten. In einem extra für diesen Zweck hergerichteten, labyrinthartigen Parcours lauert ein Monster, das es zu erlegen gilt. Erschwerend kommt hinzu, dass die Teilnehmenden auch untereinander keine Gnade walten lassen sollen. Die Person, welche die Prüfung erfolgreich besteht und das Monster tötet, gewinnt am Ende den Blutstein. Was die meisten allerdings noch nicht ahnen: Direkt unter ihnen verbirgt sich ein weiteres Monster, nämlich der titelgebende „Werewolf by Night“.

Bild: WEREWOLF BY NIGHT Ulysses Bloodstone / Photo: Marvel Studios, © 2022 MARVEL

EIN GANZ SPEZIELLES „SPECIAL“

WEREWOLF BY NIGHT ist ein etwa 54-minütiges „TV-Special“, welches direkt auf Disney+ veröffentlicht wurde. Dabei ist dieses passenderweise direkt zur Halloween-Saison erschienene „Special“ im wahrsten Sinne des Wortes „special“. Denn WEREWOLF BY NIGHT nimmt gewissermaßen eine Sonderstellung im MCU ein.

Da wäre zuallererst das wohl offensichtlichste Alleinstellungsmerkmal: das Bild. Denn im Gegensatz zu den anderen Produktionen aus dem MCU, ist dieser Film nicht in Farbe, sondern weitestgehend in Schwarz-Weiß gehalten. So erstrahlt etwa lediglich der Blutstein in greller roter Farbe. Das schwarz-weiße Format wurde von Regisseur Michael Giacchino bewusst gewählt, um alten Monsterfilmen wie DRACULA (1931, R: Tod Browning), WEREWOLF OF LONDON (1935, R: Stuart Walker) oder BRIDE OF FRANKENSTEIN (1935, R: James Whale) Tribut zu zollen.

Es wurde zwar, wie für das MCU typisch, digital gedreht und nicht auf Film, wie es vielleicht konsequenter gewesen wäre. Allerdings hat man die Sets stets passend zum schwarz-weißen Format hergerichtet und ausgeleuchtet. Nachträglich wurden noch ein paar Bildfehler digital hinzugefügt und voilà, fertig ist die visuell hübsch aufbereitete Hommage an den Monsterfilm vergangener Tage.

Worin sich WEREWOLF BY NIGHT ebenfalls von den anderen Marvel-Filmen unterscheidet, ist die Laufzeit. Wird ansonsten die Zwei-Stunden-Marke regelmäßig überschritten, ist WEREWOLF BY NIGHT mit seinen gerade einmal 54 Minuten im mittellangen Filmsegment angesiedelt und ähnelt aufgrund dessen eher einer etwas längeren Episode einer Serie.

Apropos Serie: Regisseur Michael Giacchino nennt mit der Anthologie-Serie THE TWILIGHT ZONE (1959-2020) eine weitere Inspirationsquelle für seinen Film. Der Vergleich kommt nicht von ungefähr, wird in WEREWOLF BY NIGHT doch eine weitestgehend eigenständige Geschichte erzählt, bei deren Erarbeitung kaum Rücksicht auf bisherige Entwicklungen und Verwicklungen im MCU genommen werden musste.

Bild: WEREWOLF BY NIGHT Jack Russell (Gael García Bernal) / Photo: Marvel Studios, © 2022 MARVEL

LOSE VERBINDUNGEN UND ROTE FÄDEN

Diese lose Verbindung zum restlichen filmischen Marvel-Universum kommt WEREWOLF BY NIGHT durchaus zu Gute. Denn der Film funktioniert nicht nur für den Teil des Publikums, der das MCU bisher aufmerksam verfolgt hat und auf dem aktuellen Stand ist. Darüber hinaus können sich nämlich auch diejenigen den Streifen anschauen, die bei der Masse an Output entweder nicht (mehr) hinterher gekommen sind oder die bisher vielleicht noch gar keinen einzigen Marvel-Film gesehen haben.

Trotz dieser inhaltlichen Unabhängigkeit könnte WEREWOLF BY NIGHT der Ausgangspunkt einer Reise sein, die zu einem Teil des Marvel-Universums führt, welcher zuvor noch nicht weiter beleuchtet wurde. Bisher wurde ausgiebig in die Welt der Superheld:innen eingeführt. Nun wird aber das erste Mal zusätzlich ein Blick in die Welt der Monster und anderer fantastischer Wesen geworfen. Mit BLADE und AGATHA: COVEN OF CHAOS wurden bereits zwei Projekte angekündigt, die diesen Teil des Marvel-Universums weiter erkunden könnten. Und auch Michael Giacchino scheint bereits Ideen zu haben, wie es mit seinem WEREWOLF BY NIGHT weitergehen könnte.

Zu diesem Zeitpunkt steht die Geschichte von WEREWOLF BY NIGHT aber erst einmal für sich. Wobei auch hier wieder das Wort „special“ zum Tragen kommt. Denn über die gänzlich neuen Figuren sowie über die Welt, in der das Ganze angesiedelt ist, erfahren wir im Grunde nicht viel. Es werden zwar stets verschiedene Andeutungen gemacht, wie etwa zu den jeweiligen Hintergrundgeschichten von Jack Russell und Elsa Bloodstone oder auch dazu, dass die Welt, die hier aufgemacht wird, noch viel größer ist. Das ist zwar alles durchaus interessant, darüber hinaus bietet WEREWOLF BY NIGHT allerdings kaum Einblicke. Dadurch wirkt die Geschichte nicht ganz auserzählt, was am Ende möglicherweise für etwas Enttäuschung sorgen könnte.

Bild: WEREWOLF BY NIGHT Elsa Bloodstone (Laura Donnelly) / Photo: Marvel Studios, © 2022 MARVEL

EIN HERZENSPROJEKT IN ZEITEN DER CONTENT-PRODUKTION

Dadurch, dass über die Figuren im Grunde nicht viel erzählt wird, bleiben diese leider etwas blass. Gael García Bernal mimt den zunächst mysteriös in Erscheinung tretenden, im Grunde aber völlig gutmütigen und manchmal etwas zu trotteligen Jack Russell, der hier eigentlich mehr oder minder durch den Parcours stolpert. Die Sympathien sind zwar auf seiner Seite, letztendlich kauft man ihm aber die zu Beginn noch groß angekündigten Erfolge als Monsterjäger kaum ab. Laura Donnelly macht ihre Sache dagegen etwas besser und kann aus ihrer Figur der Elsa Bloodstone wenigstens noch ein paar Facetten mehr herausholen. Was die Nebenfiguren anbelangt, so sind diese kaum der Rede wert. Die einzige Ausnahme ist Verussa Bloodstone, die hinterbliebene Witwe, welche von Harriet Sansom Harris mit offensichtlichem Spaß an der Boshaftigkeit gespielt wird.

Statt auf Figurenzeichnung und Charakterentwicklung wurde hingegen spürbar mehr Wert auf die audio-visuelle Ausgestaltung gelegt. Hier wurde viel Liebe zum Detail bewiesen und ein Großteil der Effekte ist glücklicherweise handgemacht, was, und das muss durchaus angemerkt werden, keine Selbstverständlichkeit im MCU ist. Und auch die Filmmusik ist sehr stimmungsvoll. Durch sie wird die insgesamt recht schaurige Atmosphäre des Films noch einmal unterstrichen. Aber das sollte nicht verwundern, stammt doch der Score von Michael Giacchino höchst selbst. Dieser ist bisher nämlich eher als Komponist für Filmmusik in Erscheinung getreten und wurde dafür auch schon mehrfach ausgezeichnet. So hat er etwa für OBEN (OT: UP, 2009) den Oscar für die beste Filmmusik erhalten. Mit WEREWOLF BY NIGHT hat er nun zusätzlich sein Debüt als Regisseur abgegeben.

Zwar richtet sich WEREWOLF BY NIGHT an ein erwachsenes Publikum, was sich unter anderem in der Darstellung von Gewalt bemerkbar macht. Aber wirklich splatterig, gory oder gar gruselig wird der Film kaum. Hier wird eine Hand abgehackt, da spritzt ein wenig CGI-Blut, wirklich von der Kette gelassen wird die Bestie aber nicht. Immerhin darf es jedoch an einer etwas längeren Leine laufen.

Am Ende ist WEREWOLF BY NIGHT vielleicht nicht ganz der erhoffte MCU-Horrorstreifen, der uns allen das Fürchten lehrt. Ironischerweise bleibt er in diesem Punkt seinen filmischen Vorbildern aber treu, denn wirklich gruselig sind die Monsterfilme von damals heutzutage auch nicht mehr. Stattdessen bietet der Film schaurige Unterhaltung und könnte damit eventuell sogar jene Leute ansprechen, die mit Horrorfilmen sonst gar nichts am Hut haben. Doch das Schönste an WEREWOLF BY NIGHT ist, dass der Film tatsächlich wie ein Herzensprojekt wirkt, wodurch er sich positiv von den restlichen Produktionen aus Marvels Content-Maschinerie abhebt.

ZIEMLICH GROSSARTIGER MCU-MONSTERFILM

OT: WEREWOLF BY NIGHT
VÖ: 07.10.2022 (Disney+)
Land & Jahr: USA, 2022
Regie: Michal Giacchino
Darsteller:innen: Gael García Bernal, Laura Donnelly, Harriet Sansom Harris u.a.
Vertrieb: Disney
Laufzeit: ca. 54 min
Freigabe: ab 16 Jahren


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